Bei der Veräußerung von Arztpraxen kommt es immer wieder vor, dass sich der Praxisinhaber nicht von der gesamten Praxis, sondern nur von einem Teil, z. B. der hälftigen Kassenzulassung trennt. Dies hat nachteilige umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen.
(von StB Dennis Janz, LL.M., Dortmund)
Bis 2009 alles kein Problem
Grundsätzlich fällt der Umsatz aus einer Geschäftsveräußerung im Ganzen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nach § 1 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht unter die Umsatzsteuer. Eine steuerfreie Geschäftsveräußerung liegt auch vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (Teilbetrieb) im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet wird. Dabei muss der Erwerber in der Lage sein, den Teilbetrieb als selbstständiges wirtschaftliches Unternehmen fortführen zu können.
Das ist bei der Veräußerung einer (hälftigen) Kassenarztzulassung zwar nicht der Fall. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht war dies bis 2009 für den veräußernden- bzw. erwerbenden Arzt aber unproblematisch. Denn die Überlassung eines Praxiswerts konnte als steuerfreie Lieferung eines Gegenstands nach § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG betrachtet werden.
Das UStG verlangte ferner, dass der Unternehmer die gelieferten oder entnommenen Gegenstände ausschließlich für eine steuerfreie Tätigkeit verwendet hat, was i. d. R. bei der Tätigkeit als Arzt gegeben ist.
Dann kam der EuGH
Doch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) änderte diese Grundlage erheblich (Urteil vom 22.10.09, Az. C-242/08 – Rs. Swiss Re Germany Holding). Dort ging es um die Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen. Sie war fortan eine sonstige Leistung und keine Lieferung von körperlichen Gegenständen mehr. Das Urteil hatte insofern Auswirkungen auf die Übertragung anderer immaterieller Wirtschaftsgüter wie eines Firmenwerts oder Kundenstamms. Die Übertragung solcher immaterieller Wirtschaftsgüter ist nun ebenfalls als eine sonstige Leistung i. S. von § 3 Abs. 9 S. 1 UStG zu qualifizieren und damit umsatzsteuerpflichtig.
Beispiel 1: umsatzsteuerfrei
Dr. X veräußert seine gesamte Arztpraxis für 550.000 Euro an Dr. Y. Hiervon entfallen 100.000 Euro auf das Anlagevermögen und 450.000 Euro auf den Wert der Praxis (Praxiswert). Da es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § Abs. 1a UStG handelt, fällt keine Umsatzsteuer an.
Beispiel 2: mit Umsatzsteuer
Dr. X veräußert nur die Hälfte seiner Kassenarztzulassung an Dr. Y für 200.000 Euro und führt die Praxis fort. Dieser Vorgang ist umsatzsteuerpflichtig (= 31.933 Euro), weil die Veräußerung der Kassenarztzulassung als sonstige Leistung nicht unter § 4 Nr. 28 UStG fällt. Dr. X bekommt somit für seine hälftige Zulassung nur (200.000 Euro :119 x 100 =) 168.067 Euro. Da Dr. Y als Arzt zwar umsatzsteuerlich ein Unternehmer, aber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann er die Vorsteuer (= 31.933 Euro) nicht in Anspruch nehmen.
Konsequenzen in der Praxis
Ärzte, die eine (halbe) Kassenarztzulassung veräußern, müssen auf den Kaufpreis, den sie erzielen wollen, 19 Prozent Umsatzsteuer aufschlagen. Je nach Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze und der Kaufpreishöhe kommt unter Umständen die Kleinunternehmerregelung ( § 19 UStG) in Betracht. Dies ist der Fall, wenn der Gesamtumsatz im vergangenen Kalenderjahr bei maximal 17.500 Euro und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht über 50.000 Euro liegt. Allerdings darf der Kleinunternehmer dann auch keine Vorsteuer geltend machen, eigene Umsatzsteuer gesondert ausweisen oder auf Steuerbefreiungen verzichten.
WEITERFÜHRENDE HINWEISE
Den Originalartikel finden Sie hier: https://www.rwf-online.de/system/files/RWF-03-2018.pdf#page=7